„Es ging Max Bill um nichts weniger als um die Gestaltung unserer Umwelt und um ein Umwelt-Bewusstsein, das eine geradezu unheimliche Aktualität erhalten hat.“ (Erich Schmid)
Er war Hochschullehrer und Politiker, Gestalter (Designer), Architekt und Künstler. Kurzum: Eine herausragende Schweizer Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts. Max Bill, 1908 in Winterthur geboren, starb 1994. Einige seiner Werke wie beispielsweise seine Pavillon-Skulptur (1983) an der Zürcher Bahnhofstrasse haben heftige Reaktionen hervorgerufen, sind aber längst akzeptiert und integriert. Passanten beleben den Pavillon. Sechs Jahre lang hat der Journalist und Filmer Erich Schmid recherchiert und dabei 185 Stunden Filmmaterial gesammelt. Er selbst lebt seit 1997 im «bill haus» Zumikon, und ist seit 1998 mit der Witwe Bills, Angela Thomas, verheiratet. Sie, die Kunsthistorikerin und Autorin, hat im Film die Rolle der Mittlerin, der Augenzeugin und Partnerin übernommen, distanziert und doch engagiert. Schmids Porträt versteht sich als Reise in eine unbekannte Biographie, dokumentiert die Vielseitigkeit, das Engagement und die Visionen Max Bills eindrücklich. Das beginnt etwa mit seinem Studium im Bauhaus Dessau, dem kulturellen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland und dem Bau eines «Bauhauses» in Ulm (Hochschule für Gestaltung), an der Bill sechs Jahre als Rektor tätig war. Der Film erinnert an Zeichnungen, Plastiken und Skulpturen (z.B. «Unendliche Schleife»), an Bilder und Bauten (Radiostudio Zürich, Wohnhaus und Atelier in Zumikon). Aber auch den politischen Ambitionen und dem gesellschaftlichen Umfeld wird dezidiert Raum eingeräumt. Bill wurde 50 Jahre lang polizeilich observiert. In den Dreissigerjahren büsste man ihn, weil er den Journalisten und Antifaschisten Alfred Thomas bei sich in Zürich-Höngg versteckt hatte. Thomas wurde als illegaler Emigrant denunziert und ausgeschafft. Seine antifaschistischen Aktivitäten hat Bill nie an die grosse Glocke gehängt. Politisch öffentlich aktiv wurde er nach seinen Ulmer Erfahrungen. Er gehörte von 1967 bis 1971 dem Nationalrat an (parteilos), engagierte sich beim Umweltschutz und bei der Anti-Atomkraft-Bewegung. All diese Facetten findet Eingang in «Bill –das absolute Augenmass». Im Fokus stehen indes weniger seine Werke, sondern Menschen, Zeugen und Wegbegleiter, Bills Ambitionen und Visionen. Schmids filmisches Porträt und Zeitzeugnis versucht, dem Geheimnis des «absoluten Augenmasses» auf die Spur zu kommen und die Schönheit in der Reduktion anschaulich zu machen, entsprechend der Bill’schen Philosophie. Ein Film, der zur Wiederentdeckung einlädt –anlässlich des 100. Geburtstages von Max Bill am 22. Dezember 2008.(rb)
Ein Film von Erich Schmid
CH 2008, 35mm Farbe, Dolby SR-D, 85 Min.
Regie, Buch:
Erich Schmid
Kamera:
Ueli Nüesch
Ton:
Dieter Meyer
Schnitt:
Antoine Boissonnas
Mitarbeit:
Georg Janett, Richard Dindo
Mitwirkende:
max bill, Angela Thomas, Gotfried Honegger, Ignazio Silone, Jakob Bill, Walter Gropius, Stanislaus von Moos u.v.a.
Erich Schmid ist anwesend
Der Regisseur
In Frauenfeld 1947 geboren, begann Erich Schmid 1974 mit seiner journalistischen Tätigkeit in Zürich, u.a. als Journalist und Reporter beim Tages-Anzeiger (1976 bis 1986) und bei der WochenZeitung. Seinen ersten Videofilm realisierte er 1988 («Indischer Frieden in Sri Lanka»). 1986 erschien sein Buch «Verhör und Tod in Winterthur», das Richard Dindo 2002 als Grundlage für den gleichnamigen Dokumentarfilm diente. Schmid war Drehbuchautor. Seine Arbeiten «Er nannte sich Surava» (1995) und «Meier 19» (2001) waren jeweils die erfolgreichsten Schweizer Dokfilme ihres Jahrgangs. «Meier 19» wurde im Rahmen der Filmkritikerwoche in Locarno uraufgeführt.
(texte: Katalog Filmfestival Locarno 2008)